Performance Improvement / Performance Consulting

Behavior Engineering Model – ein effektives Instrument für die Performance Analyse

Performance Improvement / Performance Consulting ist ein Beratungs- und Gestaltungsansatz für das Human Resource Management, der das Ziel verfolgt, die Arbeitsergebnisse von Mitarbeitern und Teams durch multidimensionale Interventionsprogramme zu verbessern und damit zur Wertschöpfung von Organisationen beizutragen. Wir haben den in Deutschland kaum bekannten Ansatz im letzten Newsletter vorgestellt. Er hält ein großes Repertoire an Tools und Techniken zur Planung, Durchführung und Evaluation von Optimierungsprojekten bereit. In dieser und in den folgenden Ausgaben sollen einige dieser Tools näher beleuchtet werden. Das hier vorgestellte Instrument, das sich am sog. Behavior Engineering Model orientiert, ist ein effektives Instrument zur systematischen Analyse von Performance-Treibern und -Barrieren. In Personal- und Organisationsentwicklungsprojekten hilft es, die relevanten Gestaltungsbedarfe zu erkennen.

Aus Sicht des Performance Improvement / Performance Consulting-Ansatzes (Pershing, 2006; Robinson & Robinson, 2008; Van Tiem, Moseley & Dessigner, 2012)  besteht der erste Schritt in der Planung und Durchführung eines Interventionsprogramms zur Verbesserung von Ergebnissen stets darin, eine sog. Performance Analyse durchzuführen (Rossett, 2009; Swanson, 2007). Sie umfasst insgesamt vier Schritte:

  1.  erwünschte Leistung beschreiben
  2.  tatsächliche Leistung beschreiben
  3. Diskrepanzen zwischen erwünschter und tatsächlicher Leistung beschreiben und priorisieren
  4. Ursachen analysieren, d.h. Barrieren und Treiber von Performance beschreiben

 

Für den vierten Schritt, die Ursachenanalyse, liegen unterschiedliche Leitmodelle vor. Das wohl bekannteste – das sog. Behavior Engineering Model – geht auf Thomas F. Gilbert (1978) zurück. Gilbert war ein Schüler von Burrhus Frederic Skinner und als solcher den Grundideen des Behaviorismus verpflichtet. Folglich basiert auch das Behavior Engineering Model auf diesen Grundideen.

Drei Elemente sind demnach von Bedeutung: diskriminative Reize, Reaktionen und Konsequenzen. Diskriminative Stimuli sind Signale, die Verhalten anregen bzw. auslösen. Sie zeigen auf, dass in einer bestimmten Situation ganz bestimmte Verhaltensweisen – Reaktionen – gezeigt oder aber vermieden werden sollten (weil sie belohnt bzw. bestraft würden).  Auf das gezeigte Verhalten folgt dann eine ganz bestimmte positive oder negative Konsequenz. Je nachdem, ob es sich bei dieser Konsequenz um eine Belohnung oder Bestrafung handelt, wird das ausgeführte Verhalten in seiner Auftretenswahrscheinlichkeit verstärkt oder aber vermindert. Eine weitere Folge der Konsequenz: Die erlebte Bedeutsamkeit und folglich die Signalwirkung des diskriminativen Stimulus nehmen ebenfalls zu.

Ausgehend von diesem Grundmodell lässt sich Performance beschreiben als das Resultat eines dynamischen Zusammenspiels von Person und Umwelt. Abbildung 1 macht deutlich, wie Mensch und Umwelt dabei zusammenwirken.

Abbildung 1: Grundstruktur des Behavior Engineering Models nach Gilbert (1978)

  • Die Umwelt liefert Signale, genauer: Informationen über das, was sein soll (Ergebnisziele und Verhaltensstandards), und Informationen über das, was ist (Ergebnis- und Verhaltensfeedback). Diese Signale müssen von Seiten der Person richtig gelesen und angemessen verstanden werden, damit erwünschte Performance zustande kommen kann.
  • Die nachfolgende Reaktion wird darin bestehen, ein bestimmtes Aktionsprogramm auszuführen und dabei ganz bestimmte Materialien (z.B. Vor- oder Zuarbeiten eines Kollegen oder einer anderen Abteilung) zu verarbeiten, einer bestimmten Prozedur zu folgen und ggf. bestimmte Werkzeuge zu benutzen. Die Person muss in der Lage sein, all dies wirksam zu handhaben.
  • Die Umwelt hält Belohnungsangebote (Anreize) bereit. Dabei sind nicht alle Anreize gleichermaßen attraktiv. Um Motivation zu erzeugen, muss ein potenzieller Anreiz als attraktiv erlebt werden – er muss Motive oder Bedürfnisse aktivieren bzw. sich in die Motiv- und Bedürfnisstruktur der handelnden Person einfügen.

Aus diesen Überlegungen resultiert ein kompaktes Sechs-Felder-Schema der Randbedingungen und Einflussgrößen von Performance (siehe Abbildung 2). Im Rahmen der Performance Analyse liefert dieses Schema eine hervorragende Basis für den vierten Schritt, die Ursachenanalyse. Es macht deutlich: Dort, wo Ergebnisse nicht wie erwünscht geliefert werden, können sechs Cluster von Ursachen oder Barrieren wirksam sein:

 
  1. Unzureichende direktive Information: Es fehlen klare Ziele, an denen sich eine handelnde Person orientieren könnte, bzw. wirksame Rückmeldungen, die über den aktuellen Stand der Zielerreichung informieren.
  2. Unzureichende Ressourcen: Es existieren Mängel bezüglich der Materialien, Prozeduren und Werkzeuge bzw. nicht genügend Zeit.
  3. Fehlende Anreize: Es existieren keine oder nicht genügend monetäre oder immaterielle Anreize.
  4. Unzureichende Wissensgrundlagen: Die handelnde Person verfügt nicht über die benötigten fachlichen Kenntnisse bzw. prozeduralen Wissensgrundlagen (Fertigkeiten).
  5. Unzureichende Fähigkeiten: Die handelnde Person verfügt nicht ausreichend über die benötigten intellektuellen, physischen oder affektiven Fähigkeiten.
  6. Fehlende Motive: Die Bedürfnis- und Motivstruktur der handelnden Person ist nicht vereinbar mit dem Belohnungsangebot der Tätigkeit.
 

Damit fördert das Schema ein multiperspektivisches Denken in Bezug auf Ursachen und Interventionsmaßnahmen. Es lenkt den Blick von der Betrachtung eines Symptoms (Minderleistung im Sinne gewünschter Ergebnisziele) hin zur ganzheitlichen Analyse der Randbedingungen und möglichen Ursachen und liefert damit die Basis für eine kompetente Entwicklung wirklich zielführender Interventionsprogramme. Dass diese Programme multidimensional verfasst sein müssen (d.h. aus einer wohl abgestimmten Kombination einander ergänzender Interventionsmaßnahmen bestehen), ergibt sich aus dem Modell von selbst – denn das Zustandekommen unerwünschter oder unzureichender Ergebnisse wird mit größter Wahrscheinlichkeit auf multiple Ursachen zurückgehen.

Abbildung 2: Behavior Engineering Model nach Gilbert (1978)

Ordnet man den sechs Feldern des Behavior Engineering Models die zahlreichen Gestaltungsansätze und Werkzeuge zu, die Personalentwicklern und Organisationsgestaltern zur Verfügung stehen (siehe Abbildung 33), so ergeben sich aus jeder Ursachenanalyse sehr schnell erste Hinweise zur Ausgestaltung multidimensionaler Interventionsprogramme.

Abbildung 3: Interventionsmethoden, den 6 Feldern des Behavior Engineering Models zugeordnet

Entwicklung eines Fragebogens für die Weiterbildungsberatung im Continentale

Auf Basis des Behavior Engineering Models haben Gilbert (1982) und später Roger Chevalier (2008, 2009) Tools zur systematischen Analyse der Treiber und Barrieren von Performance entwickelt. Beide Autoren haben das Ziel verfolgt, Instrumente zu entwickeln, die sich pragmatisch – d.h. mit wenig Vorbereitungs- und Durchführungsaufwand – handhaben lassen. In diesem Sinne werden die sechs Felder über wenige Leitfragen erfasst. Diese Leitfragen lassen sich sehr einfach im Rahmen von Performance-Analyse-Workshops oder -Interviews einsetzen. Frage für Frage entsteht ein komplexes Bild von den Randbedingungen erbrachter Leistung und folglich von den Gestaltungsfeldern, die im Rahmen eines Optimierungsprojekts bearbeitet werden sollten.

 

Tabelle 1 zeigt die von uns erstellte deutsche Fassung des Fragebogens von Gilbert. Wir setzen diese Fassung in Beratungsprojekten ein, um die personellen und strukturellen Entwicklungsbedarfe von Teams und Organisationseinheiten zu identifizieren.

Tabelle 1: Fragebogen zur Analyse von Performance-Treibern und –Barrieren nach Chevalier

 

Literatur

  • Chevalier, R. (2008). The evolution of a performance analysis job aid. Performance Improvement, 47(10), 9–18.
  • Chevalier, R. (2009). Analyzing performance: An example. Performance Improvement, 48(7), 15–19.
  • Gilbert, T. F. (1978). Human competence: Engineerng worthy performance. New York: McGraw Hill.
  • Gilbert, T. F. (1982). A question of performance, Part 1: The PROBE model. Trainng and Development Journal, 43(9), 21–30.
  • Pershing, J. A. (Ed.) (2006). Handbook of human performance technology: Principles, practices, and potential (3rd ed.). San Francisco, CA: Pfeiffer.
  • Robinson, D. G. & Robinson, J. C. (2008). Performance consulting: A practical guide for HR and learning professionals (2nd ed.). San Francisco, CA: Berrett-Koehler.
  • Rossett, A. (2009). First things fast: A handbook for performance analysis (2nd ed.). San Francisco, CA: Pfeiffer.
  • Swanson, R. A. (2007). Analysis for improving performance: Tools for diagnosing organizations and documenting workplace expertise (2nd ed., revised and expanded). San Francisco, CA: Berrett-Koehler.
  • Van Tiem, D. M., Moseley, J. L., & Dessigner, J. C. (2012). Fundamentals of performance improvement: Optimizing results through people, process, and organizations (3rd ed.). San Francisco, CA: Wiley / Pfeiffer.
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