Neue Forschungsergebnisse: Wer lügt, ist erfolgreich – Umgang mit sozial erwünschten Antworten in Testverfahren

Ein fortwährendes Thema in Studien ist die Frage, wie mit sozial erwünschten Antworten oder gar „Faking“ in Testverfahren umgegangen werden soll. Neueren Forschungsergebnissen zufolge gehen 15 % bis 45 % der Varianz auf Faking oder sozial erwünschte Antworten in den klassischen Likert-Skalen zurück. Die früher übliche „Lügen-Skala“ mit Items wie „Ich habe noch niemals die Unwahrheit gesagt“ hilft nicht weiter, da mit den hier auffälligen Bewerbern („Ich habe noch nie gelogen“) keiner den Aufwand betreiben möchte, ein Nachinterview zu führen („Haben Sie die Wahrheit gesagt?“).

Der klassische Weg, sozial erwünschte Antworten zu verhindern, besteht in dem „Forced-Choice“-Format, das bei Obermann Consulting auch in dem Big-Five-Wirtschaft-Fragebogen eingesetzt wird. In dem Forced-Choice-Format werden den Kandidaten paarweise Antwortmöglichkeiten präsentiert, zwischen denen sie auswählen können oder sie nehmen ein Ranking der angebotenen Varianten vor („Was beschreibt mich am besten?”). Die angebotenen Varianten können entweder zu gleichen oder zu unterschiedlichen Dimensionen – so bei unserem Fragebogen Big-Five-Wirtschaft – gehören. Dabei ist in der Konstruktion darauf zu achten, dass die Alternativen jeweils gleich sozial erwünscht sind.

Eine andere Lösung, um sozial erwünschte Antworten zu kontrollieren, präsentieren Meade, A. W. et al. (2014). Die Kernidee besteht darin, dass die Items sehr kurz sind und dadurch die Kandidaten spontaner und weniger sozial erwünscht antworten. Ein typisches Item wäre „Dominant – so bin ich/so bin ich nicht“. Die Antwortzeit ist auf 2,5 Sekunden beschränkt, wobei kaum eine Testperson so weit kommt. Der Mittelwert der Antwortzeit beträgt eine Sekunde. Auf diese Weise kann der Test in zwei Minuten durchgeführt werden – dies stellt einen weiteren Vorteil dar. In einem experimentellen Design wurden Probanden gebeten, entweder ehrlich zu antworten oder sich bewusst positiv darzustellen. Gleichzeitig wurde die Testform variiert: Items der üblichen Länge oder die sehr kurzen Items. Ergebnis: In der „Faking-Bedingung“ bei der klassischen Testform gibt es einen bedeutsamen Unterschied zwischen der ehrlichen und unehrlichen Variante von d = 1,35. Wird hingegen die Form mit kurzen Items eingesetzt, sinkt der Unterschied auf d = 0,35. Scheinbar also ein vielversprechender Weg. Auf einen ähnlichen Ansatz beruht unser Fragebogen Big-Five-Wirtschaft, hier sind die Items sehr kurz und es muss unter ähnlich attraktiven Adjektiven eine Auswahl vorgenommen werden.

In einem weiteren Forschungsergebnis gehen Voss et al. (2014) in ihrer Studie der Frage nach, ob sozial erwünschte Antworten grundsätzlich zu verurteilen sind. Neben bewusstem Täuschen können solche Antworten auf das – nachvollziehbare – Motiv zurückzuführen sein, sich positiv zu präsentieren oder auf die weniger akzeptable, aber ethisch kaum zu verurteilende Tatsache eines zu positiven, d.h. nicht „stimmigen“ Selbstbilds. In ihrer Untersuchung anhand von N = 101 Bewerbern bei BMW wurden in einem Big-Five-Fragebogen Selbsteinschätzungen den Bewertungen von jeweils drei Freunden gegenübergestellt. Interessantes Ergebnis: Die Bewerber mit einer gegenüber den Freunden zu positiven Eigeneinschätzung sind tendenziell gerade die später erfolgreichen Bewerber. Fazit: Sozial erwünschtes Antworten scheint auch im Job gefragt zu sein

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