News aus der Wissenschaft: Geschlechtsunterschiede Mann/Frau

Frauen können nicht einparken – Männer nicht sprechen

In der Populärliteratur geistert das Weltbild aus der Zeit, in der wir hinter Bisons gejagt sind. Die Männer haben in Horden umhergejagt, sind dadurch aggressiver, motorisch überlegener und können so heute besser einparken. Frauen haben hingegen in der Gruppe die Höhle warm gehalten und dadurch ihre kommunikativen Fähigkeiten besser entwickelt.

Soweit die Alltagspsychologie. Allerdings ist der Ansatz, Geschlechtsunterschiede auf genetische Konsequenzen in den Jäger-Kulturen unserer Vorfahren zurückzuführen, wissenschaftlich schwer haltbar: Der Homo erectus existiert seit über 1 Mio. Jahre, eindeutig nachweisbar ist die Jagd jedoch erst seit ca. 40.000 Jahren – evolutionär viel zu kurz, damit durch das Jagen der Männer ein Selektionsdruck zur Ausbildung eines besseren räumlichen Denkens entstehen konnte.

Frauen kaum überlegener in verbalen Fähigkeiten

Zu den häufig wiederholten Statements der Alltagspsychologie gehört es, dass die verbalen Fähigkeiten von Frauen besser ausgeprägt sind: In jedem Cafe kann man die Paare beobachten, meist ist es der Mann, der schweigt oder in die Zeitung blickt. Wissenschaftlich werden Geschlechtsunterschiede in Effektstärken, in sogenannten d-Werten, ausgedrückt. Dabei werden die Mittelwerte und Standardabweichungen in den Persönlichkeitsmerkmalen berücksichtigt. Eine Effektstärke von 0,2 wird als klein, von 0,5 als mittelgroß und von 0,8 als größer bezeichnet. Selbst bei einer Effektstärke von 0,75 in einem Kriterium wären noch 71% der Werte von Männern und Frauen überlappend.

Die erste Tabelle zeigt, dass hier die Alltagspsychologie daneben liegt. In keinem Sub-Aspekt verbaler Fähigkeiten liegen Frauen wirklich substantiell höher als Männer – dies bei sehr großen Zahlen von US-amerikanischen Studienbewerbern. Allerdings ist Legasthenie bei Jungen fünfmal häufiger, auch Stottern ist ein Problem der männlichen Seite.

Räumliche Fähigkeiten – wie ist das mit dem Einparken?

Die größten kognitiven Geschlechtsunterschiede zwischen Mann und Frau finden sich tatsächlich in den räumlichen Fähigkeiten. Hier gibt es je nach Intelligenzaufgabe verschiedene Sub-Aspekte: räumliche Wahrnehmung, mentale Rotation und räumliche Visualisierung. Allerdings sind die Unterschiede zwischen den Geschlechtern lediglich in einem Sub-Aspekt substantiell, nämlich der mentalen Rotation. Dies sind die klassischen Aufgaben, bei denen im Kopf die Würfel gedreht werden müssen, um zu entscheiden, welche zusammengehören. Dies ist für bestimmte Berufe durchaus wichtig (z. B. Piloten und Architekten). Hier beträgt der d-Wert 0,94, was doch sehr groß ist (Asendorpf, 2008). Bezogen auf die Populärliteratur könnte man sagen, dass sich Männer im Kopf besser vorstellen können, wie ihr Auto in der Parklücke aussehen wird.

Geschlechtererfolg im Cockpit der Lufthansa

In dem Auswahlverfahren der Lufthansa für Piloten beträgt der Frauenanteil der erfolgreichen Bewerberinnen übrigens 17%. Diese haben einen harten Prozess durchlaufen, eben auch mit Tests zum räumlichen Denken, aber auch ein AC. Am Ende des gesamten Prozesses bleiben von den ursprünglichen Bewerbern nur etwa 8% übrig – allerdings ist der Erfolgsanteil bei Frauen genauso groß. Es bewerben sich eben auch nicht mehr als die 17%.

Für ACs generell zeigen die Studien eher eine Überlegenheit von Frauen. Genauso wie bei der Piloten-Auswahl ist hier möglicherweise die Frage einer anderen Vorselektion – sind es unter den Frauen nur die Handverlesenen, die sich überhaupt dem AC stellen?

Genie und Wahnsinn bei Männern

Die Alltagspsychologie sagt, dass Männer in der Mathematik besser sind. Schließlich finden sich kaum Frauen unter Ingenieuren oder in Mathe-Leistungskursen. Die zweite Tabelle zeigt, dass auch mit diesem Vorurteil aufgeräumt werden muss. Männer sind nicht wirklich substantiell überlegen. Allerdings ist die statistische Verteilung bei Männern breiter als bei Frauen, also eine Überrepräsentation der Männer in Extrembereichen, mehr Genie und gleichzeitig Wahnsinn. Die Datenbasis sind wiederum Studienbewerber in den USA. Da die Daten über lange Zeit erhoben werden, kann auch eine Betrachtung im Zeitverlauf vorgenommen werden. Für fast alle erhobenen Kriterien gilt ein kontinuierliches Sinken der Testwerte – wir werden leider nicht schlauer als unsere Vorgänger.

Aggression und Motorik

Bei Geschlechterunterschieden im Sozialverhalten fällt den meisten Menschen wohl ein, dass Jungen und Männer motorisch aktiver und aggressiver sind. Auch hier stimmen Alltagspsychologie und empirische Befundlage nur teilweise überein. In einer Metaanalyse zu motorischen Unterschieden (Eaton & Enns, 1986) zeigen sich für Babys geringe Geschlechtsunterschiede, bei Kindern größer als 6 Jahre immerhin mittlere Effektstärken von 0,64. Auch in der Aggressivität bestätigen sich mittlere Effektstärken. Allerdings kommt es hier auf das Detail an.

In einer Metaanalyse von Archer (2000) wurden Befragungen von über 30.000 Paaren zusammengefasst. Diese wurden jeweils befragt nach der von ihnen in der Beziehung erlebten Gewalt. Hier kommt es zu der „paradoxen“ Erkenntnis, dass Frauen ihre Partner sogar geringfügig häufiger physisch malträtieren (d= 0,05) als Männer. Auf der anderen Seite fügen Männer ihren Partnerinnen öfters dabei Verletzungen zu (d=0,15). Asendorp (2008) formuliert: „Bei Konflikten in der Partnerschaft schlagen Frauen mindestes so häufig zu wie Männer, aber weniger hart“. Dies widerspricht völlig dem alltagspsychologischen Vorurteil von der männlichen Gewalt in der Ehe. Dies kann an einer Übergeneralisierung der männlichen Tendenz zur Gewalt (z. B. mehr Gewaltverbrechen von Männern) in Beziehungen liegen. Eine andere Erklärung wäre, dass Männer außerhalb anonymer Befragungen ungern von ihren Gewalterfahrungen berichten: Es könnte ja heißen, sie sind schlapp und können sich nicht durchsetzen.

In der Partnerwahl stimmen die Vorurteile

Zumindest in einem Bereich müssen die Stereotypen nicht geändert werden – bei der Partnerwahl. Bei der Auswahl ihrer idealen Partnerin legen Männer viel mehr Gewicht auf das Aussehen (d= 0,53). Für Frauen ist hingegen der hohe Sozialstatus (d=0,75) und die Ambitioniertheit der Männer wichtig (d=0,55).

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