Performance Improvement – ein neues Rollenbild für HRD Professionals

Performance Improvement ist ein Beratungs- und Gestaltungsansatz für HR, der das Ziel verfolgt, die Arbeitsergebnisse von Individuen und Teams durch multidimensionale Interventionsprogramme zu verbessern und damit zur Wertschöpfung von Organisationen beizutragen. Der in Deutschland kaum bekannte Ansatz eröffnet interessante Perspektiven für Personalentwickler, denn er propagiert ein neues Rollenbild für HRD Professionals: vom Kompetenzentwickler zum Performance Consultant.

Der vielleicht wichtigste Ideengeber ist Thomas Gilbert. Sein Buch, 1978 erschienen, trägt den programmatischen Titel „Human competence: Engineering worthy performance“. Es wurde von Trainern gelesen, die an der Wirksamkeit ihrer eigenen Maßnahmen Zweifel hatten, genauer: Zweifel daran, mit klassischen Weiterbildungsprogrammen und insbesondere mit Trainings off-the-job zur Wertschöpfung von Organisationen beitragen zu können. Dabei richtete sich ihre Kritik weniger gegen die didaktische Ausgestaltung von Trainings, sondern vor allem gegen die mangelhafte Integration der Programme ins strategische Human Resource bzw. Talent Management.

Interessanterweise hat diese Skepsis zu einer produktiven und sehr selbstbewussten Neubestimmung der eigenen Rolle geführt: Personalentwickler hätten nicht bloß die Aufgabe, berufliche Handlungskompetenz zu fördern bzw. Kompetenzentwicklungsprozesse zu organisieren. Ihre Aufgabe sei es, die Bausteine des strategischen Personalmanagements so aufeinander abzustimmen, dass eine Verbesserung von Performance resultiere, genauer eine Verbesserung der messbaren Arbeitsergebnisse von Individuen und Teams – mehr Qualität und Quantität, weniger Kosten und Zeit. Das Ziel von PE sei nicht primär Kompetenzentwicklung, sondern die Maximierung von Performance! Ausführlich wird die Programmatik dieses Ansatzes in den Standards der International Society for Performance Improvement (www.ispi.org) dargelegt. Die grundlegende Philosophie wird in den ersten vier Maximen umrissen:

  1. Focus on Results
  2. Take a Systemic View
  3. Add Value
  4. Work in Partnerships

Das Ziel, messbare Ergebnisse zu verbessern – Focus on Results! – macht einen ganzheitlichen Ansatz erforderlich. Denn die Leistungen einer Person sind nicht bloß von ihren KSAs (Knowledge, Skills and Attitudes) – von personalen Faktoren – abhängig, sondern auch von den Kontextbedingungen, in denen sie tätig ist, also von den Aufbau- und Ablaufstrukturen, den kulturellen Gegebenheiten, den Ressourcen und Anreizstrukturen etc. Folglich benötigen Personalentwickler, die individuelle Leistung gestalten und verbessern wollen, ein Mandat, auch die strukturellen Kontextbedingungen optimieren zu dürfen. Denn es gilt, ganze Arbeitssysteme zu gestalten! Dann jedoch dürfen die Bausteine des strategischen Personalmanagements – Personalauswahl, trainings- und beratungsorientierte Personalentwicklung, Arbeits- und Aufgabenstrukturierung, Leistungsbeurteilungs- und Feedbackprozesse, Anreiz- und Vergütungssysteme, Wissensmanagement und Performance Support – nicht isoliert betrachtet und verändert werden. Es gilt, in verzahnten, miteinander interagierenden und aufeinander zurückwirkenden Prozessen und in diesem Sinne systemisch – d. h. ganzheitlich und integrativ – zu denken. Also: Take a Systemic View!

All dies setzt Kenntnisse in vielen Bereichen und Ressorts voraus: strategische Planung, Human Resource Management, Personal- und Organisationsentwicklung, Prozessoptimierung etc. Nur dann kann es gelingen, multidimensional zu planen und in integrierten Lösungen zu denken. Die Akteure jedoch, die heute als Experten und Berater zur Gestaltung von Arbeitsleistung in Organisationen beitragen, agieren spezialisiert auf streng getrennten Feldern (Silos): Personaldiagnostiker, Trainer, Gestalter von Anreiz- und Vergütungssystemen, Kulturgestalter, Betriebsorganisatoren…

Die dritte Maxime – Add Value! – soll deutlich machen, dass es gilt, zur materiellen und immateriellen Wertschöpfung auftraggebender Organisationen beizutragen. Dieser Punkt hebt die strategische Orientierung von Performance Improvement hervor. Denn was für Organisationen wertschöpfend ist, darüber entscheidet die strategische Planung. Roger Kaufman hat als ein wichtiger Vertreter des Performance Improvement-Ansatzes sehr einflussreiche Modelle zur strategischen Planung in Organisationen vorgelegt (sog. Mega Planning-Ansatz).

Wer ganzheitlich und integriert arbeiten will, benötigt außerdem die Wertschätzung und Unterstützung zahlreicher Partner. Es gilt, langfristige Kooperationsbeziehungen mit potenziellen Kunden und Experten zu pflegen, das mikropolitische Spannungsfeld der Organisation zu verstehen, zwischen den Interessengegensätzen der unterschiedlichen Anspruchsgruppen zu vermitteln, mächtige Sponsoren zu gewinnen, ein Buy-in von Seiten des Top Managements zu erhalten etc. Der Performance Improvement-Ansatz macht deutlich, dass Organisationen politische Arenen sind, also Spannungsfelder der Interessengegensätze zwischen Stakeholdern. Die vierte Maxime des Ansatzes lautet: Work in Partnerships with Clients and Experts!

Das skizzierte Rollenbild unterscheidet sich deutlich vom klassischen Rollenbild des Personalentwicklers (siehe Tabelle 1). Und es schärft die Funktion des HR Business Partners, die in vielen Organisationen für wenig mehr als für HR Key Account Management steht. Für HRD Professionals könnte der Performance Improvement-Ansatz aber vor allem auch deshalb interessant sein, weil seine Vertreter ein gewaltiges Repertoire an Tools und Techniken zur Planung, Durchführung und Evaluation von Personalentwicklungs- bzw. Performance Improvement-Projekten entwickelt haben. Kaum zu glauben, dass dieser Werkzeugkasten in Deutschland nahezu unbekannt ist.

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