Die Interviewfragen von Wirtschaftspromis

„Was haben Sie in Ihrem Lebenslauf nicht über sich erzählen können?“ Richard Branson, Virgin Group.

Richard Banson, Milliardär und Virgin-Group-Gründer, erklärt in seinem Buch „The Virgin Way: Wie ich das Thema Führung sehe“, dass er kein Fan der traditionellen Vorstellungsgespräche ist. „Natürlich ist ein guter Lebenslauf wichtig, aber wenn man nur aufgrund der schriftlichen Informationen über die Einstellung entscheiden wollte, bräuchte man keine Zeit für ein Interview zu verschwenden“, schreibt Branson. Deshalb fragt er gerne: „Was haben Sie in Ihrem Lebenslauf nicht über sich erzählen können?“

Kommentar Obermann Consulting: Gelbe Ampel. Grundsätzlich sind biographische Fragen sehr erfolgreich – in allen vergleichenden Validitätsanalysen schneiden sie am besten ab – Nachweise von Ergebnissen und Erfahrungen liegen am wenigsten daneben. Aber: Es fehlt die Anforderungsorientierung, hier wird in‘s Blaue gefragt und der Unterhaltungs- oder Überraschungswert steht im Vordergrund.

„Ein Hammer und ein Nagel kosten zusammen 1,10$, und der Hammer kostet genau einen Dollar mehr als der Nagel. Wie viel kostet der Nagel?“  Jeff Zwelling, COO ZipRecruiter.

Jeff Zwelling, der ehemalige CEO von Convertro und aktuelle COO von ZipRecruiter, sagte dem Business Insider, dass er oft bei Vorstellungsgesprächen knifflige Fragen stellt, um ein besseres Gefühl dafür zu bekommen, wer der Kandidat ist. So hören Kandidaten zum Beispiel in der Mitte des Gesprächs ansatzlos diese Rechenaufgabe. „Einige Bewerber werden sofort mit der Antwort 10 Cent herausplatzen, was offensichtlich falsch ist“, sagt er. „Sie müssen gar nicht die richtige Antwort (5Cent) finden, aber ich möchte zumindest sehen, dass ihre Antwort einem Denkprozess folgt.“ Zwelling erklärte, dass er verstehe, dass Mathematik nicht jedermanns Stärke sei, aber er wolle, dass Kandidaten erkennen, dass „10 Cent eine zu einfach Antwort ist und dass, wenn es so einfach wäre, ich nicht danach fragen würde.“

Kommentar Obermann Consulting: Ampel gelb-rot. Das sind die “Brainteaser”-Fragen, spannend ist, wie die Bewerber analytisch vorgehen. Aber: Hier liegt jetzt erstmals eine spezielle Validitätsanalyse vor (Keeney et al. 2015). Fazit: Auch wenn der Unterhaltungswert hoch ist, der Zusammenhang zwischen Interview und späterem Joberfolg ist äußerst dünn und nicht zu vergleichen mit hochwertigeren biographischen Fragen.

„Geben Sie mir ein Beispiel für eine Zeit, in der Sie ein analytisch schwieriges Problem gelöst haben.“ Laszlo Bock, Google.

Laszlo Boch, Google-Personalchef, erklärt, dass das Unternehmen seine berühmten „Brainteaser“-Interviewfragen (s.o.) in den letzten Jahren zugunsten von Fragen rund um Verhaltensmerkmale aufgegeben hat. „Das Interessante an diesen Gesprächen ist, dass Sie, wenn Sie jemanden bitten, über seine eigenen Erfahrungen zu sprechen, und dabei intensiv nachfragen, zwei Arten von Informationen bekommen“, sagte Bock der New York Times. „Die erste zeigt, wie die Bewerber tatsächlich in einer realen Situation reagieren, und die zweite wertvolle Metainformation enthüllt, was die Kandidaten als schwierig empfinden.“

Kommentar Obermann Consulting: Grüne Ampel. Die Statements vom Google-Personalchef kann man nur unterstreichen. Eingebettet in ein strukturiertes Interview erzielen biographische Fragen Traumwerte von bis zu r=.70, an die keine andere Methode inklusive AC herankommt (Obermann & Solga, 2017). Auch hier ein Aber: Meistens scheuen Manager den Aufwand für die Vorbereitung eines strukturiertes Interviews und Personaler fehlt manchmal der Mut dafür. Strukturiertes Interview bedeutet im Kern, dass vorab überlegt wird, welche Bewerberantwort wie zu bewerten ist.

„Sagen Sie mir etwas, das wahr ist und bei dem fast niemand Ihrer Meinung ist.“ Peter Thiel, PayPal.

PayPal-Mitbegründer, geschäftsführender Gesellschafter des Founders Fund und Präsident von Clarium Capital Peter Thiel versucht Leute einzustellen, die keine Angst haben, ihre Meinung zu sagen. Um das zu erreichen, lässt Thiel Bewerber und Unternehmensgründer, die um Investitionen ersuchen, diese Frage beantworten. In einem Interview mit Forbes aus dem Jahre 2013 sagte Thiel, der Grund, warum er diese Frage liebt, ist: „Sie testet die Originalität des Denkens und in gewissem Maße testet sie Ihren Mut, in einem schwierigen Kontext Ihren Standpunkt zu vertreten.“

Kommentar Obermann Consulting: Grün-gelbe Ampel. Das ist eine situative Frage. Neben den biographischen Fragen ist das die einzige nachgewiesen valide Interviewmethode. Die Frage zeigt, dass gute Interviewfragen kaum aus dem Ärmel geschüttelt werden, sondern in einen Leitfaden gehören. Das kleine Aber: Auch fehlt die genaue Anforderungsorientierung – was soll eine gute und eine durchschnittliche Antwort sein?

Quelle: Jacquelyn Smith, Careers Editor. Business Insider
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